Im strafrechtlichen Sinne ist Strafe eine für eine tatbestandsmässige, rechtswidrige und schuldhaft begangene Tat im Gesetz vorgesehene Sanktion, welche durch eine rechtmässig eingesetzte obrigkeitliche Gewalt zwangsmässig ausgesprochen und vollzogen wird.
Was ist der Sinn der Strafe?
Auch wenn es vereinzelt Stimmen gibt, die fragen, ob eine Strafe überhaupt sinnvoll ist, will ich mich in diesem Artikel nur mit der viel umstritteneren Frage beschäftigen, was der Sinn der Strafe sein soll. Wir unterscheiden heute primär drei Straftheorien1. Die absolute Straftheorie sieht den Sinn der Strafe darin, Vergeltung zu üben. Ziel dabei ist die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Rechtsordnung2.
Demgegenüber besagt die relative Straftheorie, dass der Sinn der Strafe darin liege, einen Zweck zu erfüllen. Dabei werden zwei Zwecke unterschieden: Einerseits die Abschreckung aufgrund der Annahme, dass angedrohte Strafen für alle abschreckend wirken (Generalprävention), andererseits das Ziel der Verhinderung weiterer Straftaten durch bereits verurteilte Straftäter mittels Unterstützungsmassnahmen oder Resozialisierung (Spezialprävention)3.
Neuere Theorien beziehen Elemente der absoluten wie auch der relativen Theorie mit ein und bringen diese in einem Ansatz zusammen (sogenannte Vereinigungstheorien)4. So auch das schweizerische Strafgesetzbuch, welches in Artikel 47 Absatz 1 besagt, das Gericht messe die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu (= Vergeltung), wobei es dabei die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters berücksichtigt (= Spezialprävention).
Theologische Begründung des Strafrechts
Theologisch gesehen gibt es zwei Hauptlinien zur Begründung des Strafrechts. Die eine Ansicht besteht darin, dass Strafe der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung dient. Grund für Strafe ist dabei die göttliche Gerechtigkeit, welche die (Schöpfungs-) Ordnung der Gesamtheit der Welt konstituiert. Die Straftat wird als Verletzung der Rechtsordnung verstanden, das Strafrecht erhält die im göttlichen Willen festgesetzte Ordnung der Welt aufrecht. Problematisch an dieser Begründung ist, dass sie einen autonomen, sittlich verantwortlichen Täter voraussetzt, womit jegliche Rücksichten auf den Täter ausscheiden müssen. Anders ausgedrückt: Der Mensch wird nur als Täter gesehen, nicht aber der Mensch in seiner Strafe.
Die andere Auffassung ist der Meinung, dass Strafe dem Menschen zu dienen hat. Die Absicht der Strafe liegt also in der Besserung und Erziehung des Täters, sie soll für diesen sinnvoll sein. Diese Auffassung ergibt sich aus dem Erlösungshandeln Gottes, der Mensch, und damit auch der Täter, ist also der durch Christus von aller Schuld erlöste und der Vergebung teilhaftige Mensch. Ziel der Strafe muss sein, den Menschen aus dem Erfordernis der Bestrafung und Sündhaftigkeit herauszuführen und in die Gesellschaft wiedereinzugliedern. Diese Ansicht, welche sich nur auf das zukünftige Leben des Täters konzentriert, verkennt, dass Tat und Tatfolge (= Strafe) nicht getrennt voneinander angesehen werden können5.
Was sagt die Bibel dazu?
Eine ausführliche theologische Abhandlung ist in diesem Beitrag nicht möglich. In der Bibel kommt das Thema Strafe aber verschiedentlich vor. Bereits in den ersten Kapiteln der Bibel wird der Mensch als Gesetzesbrecher beschrieben. Gott begegnet der Ursünde von Adam und Eva mit einer Strafe. Aufgrund ihrer Tat kommt der Tod in die Welt, sie werden aus dem Garten Eden vertrieben und müssen von nun an ihren Lebensunterhalt durch Ackerbau selbst verdienen. Aber wir sehen auch, dass Gott zwar straft, sich aber nicht von den Menschen abwendet6.
Die Bibel kennt im Gegensatz zum Kriminalstrafrecht mit der Hölle – dem ewigen Getrenntsein von Gott – auch eine jenseitige Strafe, die erst in einem Leben nach dem Tod vollzogen wird.
Als Strafzwecke kennt das Alte Testament die Vergeltung, den sogenannten Talion-Grundsatz «Auge um Auge, Zahn um Zahn»7, sowie die Abschreckung und Austilgung des Bösen aus dem Gottesvolk; das Neue Testament gesteht der Obrigkeit und damit dem Staat das Recht zur Bestrafung von Tätern zu, auch durch Hinrichtung8.9
Das biblische Zentralmotiv der Umkehr und Versöhnung
Wiesnet sagt mit Blick auf die Bibel, dass Vergeltung nicht das (End-)Ziel einer Strafe sein kann, sondern einzig darin besteht, den Bestraften zur Umkehr zu bewegen. In diesem Resozialisierungsgedanken ist das Bedürfnis der Gesellschaft auf Schutz und Sicherheit integriert: Die Umkehr des Täters ist sein Beitrag zum Rechtsfrieden der Gemeinschaft. Dabei ist der Fokus auf die Wiedereingliederung des Täters in die Gemeinschaft gerichtet – und auf den Frieden (Schalom) mit sich und der Gesellschaft. Wiesnet ist der Meinung, dass eine Rechtspraxis, welche nicht der Versöhnung, dem Frieden und der Rehumanisierung des Täters dient, vom Neuen Testament abgelehnt wird. Umkehr und Versöhnung seien dabei nur biblische Ausdrücke für Reintegration und Resozialisierung10.
1 Schmidt Anja, Strafe und Versöhnung: Eine moral- und rechtsphilosophische Analyse von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als Formen unserer Praxis, S. 146 f.
2 Wiesnet Eugen, Die verratene Versöhnung: zum Verhältnis von Christentum und Strafe, Düsseldorf 1980, S. 13
3 Schmidt, S. 152 f.
4 Schmidt, S. 159
5 Rendtorff Trutz, in: Dombois Hans, Die weltliche Strafe in der evangelischen Theologie, Witten/Ruhr 1959., S. 70 ff.
6 1. Mose 3,22-24
7 2. Mose 21,24
8 Römer 13,3; 1. Petrus 2,13.14)
9 Wiesnet, S. 15
10 Wiesnet, S. 121 f.
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