Bildende Kunst: Die Künstliche Intelligenz bringt eine Renaissance der Kreativität

Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet in der Kunst eine neue Ära der kreativen Möglichkeiten. Die Frage, inwieweit KI die Kunstpraxis übernehmen wird und ob es Unterschiede gibt zwischen maschineller und menschlicher künstlerischer Intelligenz, stellt die Kunstwelt vor faszinierende Herausforderungen.

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In der Kunst geht es oft um technisches Können und das Beherrschen bestimmter handwerklicher Fähigkeiten. Künstlerinnen und Künstler wie Olafur Eliasson, Urs Fischer oder Ai Weiwei arbeiten mit Teams von Fachleuten auch aus anderen Bereichen wie etwa der Wissenschaft, um ihre künstlerischen Visionen umzusetzen.

Dadurch entstehen riesige und beeindruckende Kunstwerke, die in fabrikähnlichen Umgebungen hergestellt werden. Die Zusammenarbeit mit fachfremden Experten, also Nicht-Künstlern, ermöglicht es, szenografische Werke zu schaffen, die wir als ästhetische Erfahrung und aufgrund der mitbeteiligten schöpferischen Hand des Künstlers als Kunst definieren.

Bild: Ohne Titel (MMM: Man, Machine, Mindset), 2023, Collage auf Papier, 14 x 23 cm(©Courtesy Patrik Alvarez)

Die Verschmelzung von Maschinen und Kunst

2016 führte ein Team von IT-, Kunstgeschichte- und Werbewissenschaftlern ein revolutionäres Projekt mit KI und 3-D-Druckern durch. Das Next Rembrandt Projekt stellte ein neues Werk des niederländischen Meisters her, basierend auf der Analyse von 346 klassifizierten und mit hoher Auflösung digitalisierten Werke Rembrandts.

Die Computerprogramme mit ihrer algorithmischen Rationalität reproduzierten Rembrandts Handschrift bis in alle Einzelheiten und erreichten damit auch einen gewissen Markterfolg, wie das Beispiel des für 432'500 US-Dollar bei Christie’s versteigerten fiktionalen Porträts von Edmond de Belamy zeigt1.

Die schnelle Entwicklung der Computerwissenschaften geben der Maschine den Status eines Künstlers, wobei es immer schwerer wird, zwischen der Originalität der künstlerischen Prozesse und ihrer Autorenschaft zu unterscheiden. Das Resultat: Die Grenze zwischen Künstler und Maschine verschwimmt heutzutage noch viel mehr.

 

Künstlerische Kreativität und KI

Heute hat dank KI und künstlichen neuronalen Netzen (KNN) praktisch jeder, auch ein Mensch ohne künstlerische Ausbildung oder Talent, die Möglichkeit, zum Künstler zu werden. Und auch wenn die Maschinen eines Tages so kreativ wie wir Menschen sein werden, bleibt die Frage, ob KI nun selbst der Künstler ist oder ob der Mensch immer noch im Mittelpunkt steht, offen. Die Verwendung von KI stellt unter anderem die wesentliche Frage nach der Unterscheidung zwischen Authentizität und Simulation. Die Spannung und die Perplexität des Einflusses der KI in der künstlerischen menschlich-kulturellen Produktion verlangt nach einer tieferen Ebene der Definitionskriterien: Kann man KI mit der beseelten, menschlichen Kreativität vergleichen und die resultierende Produktion als Kunst anerkennen2?

 

Die Renaissance einer Arbeitsweise

Ähnlich wie in der Renaissance, als neues Wissen und neue Ideen aufkamen und dadurch in der Kunstszene für ein knappes Jahrhundert in einer Übergangsphase der «Manierismus» entstand, stellt sich auch heute die Frage, ob KI unsere zukünftige Arbeitsweise in der Kunst sein wird. Wird sie unverzichtbar werden? Es ist klar, dass die Technologie heute einen immer grösseren Einfluss auf die Kunstpraxis hat, jedoch bleibt die menschliche Kreativität nach wie vor von unschätzbarem Wert. Der Physiker und Autor Arthur I. Miller definiert die Kreativität in seinem Essay zum Thema als «die Produktion von neuem Wissen aus bereits vorhandenem, was durch den Prozess des Problemlösens erreicht wird»3.

Künstlerinnen und Künstler werden weiterhin ihre einzigartigen Perspektiven und Ideen einbringen, während KI ihnen als mächtiges Werkzeug und inspirierender Partner zur Seite stehen wird. Obwohl die Grenzen zwischen maschineller künstlerischer Intelligenz und menschlicher künstlerischer Intelligenz zunehmend verschwimmen, bleibt die individuelle Perspektive und das Können des Menschen von entscheidender Bedeutung. Welche Eigenschaften werden uns dann in Zukunft von der KI der Maschinen unterscheiden? Was uns heute «noch» von Maschinen unterscheidet sind die Emotionen, die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein, das wir zum Beispiel empfinden, wenn wir uns vor einem Gemälde Rembrandts befinden oder ein musikalisches Stück von Bach hören. Unsere Intelligenz ist immer eng verbunden mit den Emotionen, beziehungsweise mit unserer Wahrnehmung der Welt «draussen».

Diese Tatsache ist ein Stolperstein bei der Entwicklung kreativer Maschinen. Vielleicht können sie zuletzt die humanen Eigenschaften darstellen und werden dann gemäss Arthur I. Miller in der Zukunft «Mittel für das Überleben der Menschheit sein, was auch immer dann menschlich [..] bedeuten mag»4.

Die Verbindung von Kunst und Künstlicher Intelligenz eröffnet eine faszinierende Welt der Möglichkeiten. Die Renaissance der Kunstpraxis in der digitalen Ära wird von der Zusammenführung von menschlicher Kreativität, technischem Können und Künstlicher Intelligenz geprägt sein. Diese Synergie verspricht zu einem aufregenden neuen Kapitel in der Kunstgeschichte zu werden.

 

1 Christie’s: Is artificial intelligence set to become art’s next medium? Datiert 12.12.2008. In: https://www.christies.com/features/A-collaboration-between-two-artists-one-human-one-a-machine-9332-1.aspx (Stand: 22.6.23)

2 Zu diesen Fragen siehe auch die Sendung SRF Kultur mit Barbara Bleisch, Wolfram Eilenberger mit Kulturwissenschaftlerin Mercedes Bunz und dem Philosophen/Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr: ChatGTP – Ende der Kreativität oder schöpferische Freiheit? Sternstunde Philosophie vom 5.3.23 auf https://www.youtube.com/watch?v=w5hfJaaadBU (Stand: 23.6.23)

3 Miller, Arthur I.: Kreativität und Künstliche Intelligenz. In: Kunstforum International Bd.278 (Kann KI Kunst? Nov.- Dez. 2021). In https://www.kunstforum.de/artikel/kreativitaet-und-kuenstliche-intelligenz/ (Stand: 24.6.23)

4 Ebd.

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