Hat es Donald Trump bei Silvio Berlusconi gelernt? Und Boris Johnson bei Donald Trump? Lügen ist offenbar politisch erfolgreicher als wir das vielleicht gedacht haben. Um das zu belegen, müssen wir die Nachahmer im Osten Europas oder gar die russischen und chinesischen Volksverführer nicht mal bemühen.
Ob hinter diesem lügnerischen Erfolg vielleicht sogar der Teufel, aus biblischer Sicht bekanntlich der Vater der Lüge, steckt? Nun, die heutige Psychotherapie hat gerade herausgefunden, dass es ihn gar nicht gibt. Das sollte uns aber nicht wirklich beruhigen.
Der Versuch einer medialen Aufarbeitung von satanischer Panik
In zwei Beiträgen1 versuchte SRF Dok, dem Phänomen der «Satanic Panic» auf die Spur zu kommen. Die Recherche wollte zeigen, dass es keine organisierten Netzwerke gibt, die – vom Teufel inspiriert – im Rahmen von ritueller Gewalt sexuellen Missbrauch verbunden mit der Kontrolle von menschlichem Denken praktizieren. Solche Vorstellungen seien den betroffenen Menschen jeweils nur eingeredet worden, manchmal sogar während der Therapie von dissoziativen Persönlichkeitsstörungen2. In diesem Zusammenhang kamen dann auch Seelsorgerinnen und Seelsorger ins Visier, die versucht hatten, Erlebnisse mit satanischen Kreisen durch Zuhören und mit Gebet zu begegnen3.
Die erwähnten Beiträge werfen viele Fragen rund um das Böse auf. Dass vorgefasste Ideen in eine Therapie hineinprojiziert werden können, ist bekannt und definitiv ein handwerklicher Fehler. Aber kann man Ideen vielleicht auch in eine Recherche hineinprojizieren? Während die meisten befragten Fachleute zurückhaltend bleiben bei ihren Analysen, fällt SRF-Mann Robin Rehmann auf durch manipulative Fragestellungen, manchmal legt er seinem Gegenüber die Antwort richtiggehend in den Mund. Seine Recherche ist zwischendurch begleitet von einem nervösen Belächeln der Thematik.
Dass die manchmal gräulichen Gespräche beim Journalisten Irritationen auslösen, ist nachvollziehbar. Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter, nämlich ein journalistischer Tunnelblick, der das, was nicht sein darf, auch nicht sein lässt. Ist das vielleicht sogar die Botschaft seines Ausrufes: «Das darf doch nicht wahr sein»?
Die Absicht, mit dieser Recherche Licht ins Dunkel von satanischer Panik zu bringen, ist lobenswert. Diese Fragestellung muss sauber aufgearbeitet – und wo möglich auch widerlegt werden. Allerdings fällt auf, dass bei den erwähnten Doksendungen manches durcheinander gebracht wird. Psychische Belastungen, die – zumindest subjektiv – dem Bösen, vielleicht sogar dem Teufel zugeordnet werden, gehören quasi automatisch zur angenommenen Verschwörungserzählung. Müsste es da nicht Zwischentöne geben? Sie sind leider nicht herauszuhören.
Der Hauptmangel aber ist: Die Anschlussfragen werden nicht gestellt oder kommen aus Zeitgründen nicht zur Sprache. Wenn der Sektenberater Georg Otto Schmid im Gespräch ein falsches duales Weltbild als Kampf zwischen Gut und Böse ins Spiel bringt, wäre dann nicht zu fragen, wie denn ein richtiges Weltbild aussehen würde? Ist es eine Welt, in der es nur das Gute gibt? Oder gibt es neben dem Bösen auch den Bösen – und Menschen, die ihm nicht nur indirekt, sondern auch ganz bewusst dienen wollen? Wenn Menschen in der Therapie oder in der Seelsorge Erlebnisse mit dem Bösen schildern, genügt es dann, ihnen diese Ideen auszutreiben? Was würde es heissen, ihnen zuzuhören und ihre Ängste ernst zu nehmen? Oder biblisch gesprochen: Was würde es in der Therapie heissen, das Böse mit dem Guten zu überwinden?
Und schliesslich: Könnte es sein, dass diese Diskussion über satanische Panik nur ein Scheingefecht ist, um uns vom grösseren Wirken des Bösen abzulenken, das nicht in satanischen Zirkeln stattfindet, sondern in der täglichen Politik Gestalt gewinnt?
Es ist verblüffend, wie arglos unsere Gesellschaft mit den Lügenbaronen unserer Zeit umgeht. Auch wenn man nicht zwingend den Teufel als Vater der Lüge einstufen will, die verheerenden Wirkungen von systematischem Lügen sollten wir nicht bagatellisieren. Sonst bekommen Lügen plötzlich lange Beine.
Berlusconi und der liebe Gott
«Er ist ein Mensch und jetzt trifft er Gott», sagte Erzbischof Mario Delpini in seiner Predigt anlässlich des kürzlichen Staatsbegräbnisses von Silvio Berlusconi im Mailänder Dom. Das war beschönigend gemeint. Denn «er war ein Mensch mit dem Verlangen nach Leben, Liebe und Freude und nun feiern wir das Geheimnis der Vollendung»4.
Etwas weniger beschönigend könnten wir darüber nachdenken, was denn im Gespräch zwischen Silvio und Gott besprochen werden könnte. Schliesslich enthält der Blick auf sein Leben auch ein paar Unstimmigkeiten, um nicht zu sagen, Lügen. «Der Mailänder war ... der erste grosse Populist, Vorbild für Donald Trump und andere. Ein Menschenfänger um jeden Preis, bedingungsloser Selbstoptimierer, bei Bedarf korrupt, der sich über den Gesetzen stehend sah: ein Zerstörer von Recht und Ordnung, wenn es ihm passte. Er hat den Eigennutz dem Staat gegenüber nicht erfunden, schon gar nicht in Italien, aber er hat ihn perfektioniert. Ein Regierungschef, unter dem die Mafia blühte, der den Bürgern öffentlich schon mal riet, Steuern zu hinterziehen, um besser über die Runden zu kommen.» Der Titel dieses Kommentars bringt es auf den Punkt: «Er hinterlässt ein politisches Trümmerfeld5.»
Was wir vom Lügenbaron Berlusconi lernen können: Lügen, die lange Beine bekommen, hinterlassen besonders viele Trümmer. Sie sollten nicht beschönigt werden. Am wenigsten von der Kirche.
Trump und die Evangelikalen
Donald Trump hat offensichtlich viel von seinem Vorbild gelernt. Das zeigen die laufenden Gerichtsverfahren, die aus der Sicht eines Lügenbarons allesamt auf Lügen beruhen: gemeint sind nicht seine Lügen, sondern die Lügen der Richter. Er hat als damaliger Präsident und als Oberkommandierender der Armee möglicherweise gegen das Anti-Spionage-Gesetz verstossen. Schliesslich hatte er über 100 Geheimdokumente mit in seinen Privatsitz nach Mar-a-Lago genommen. 31 davon wurden von der Anklage als Akten aufgeführt, welche die nationale Sicherheit des Landes gefährden könnten. Trump weigerte sich nicht nur, sie zurückzugeben. Er forderte laut Ermittlern seinen Anwalt auch auf, die Existenz der Papiere zu leugnen. «Als der Jurist sich weigerte, liess Trump einen Teil der Kisten in einer Dusche in seiner Residenz verbergen. Als Verschwörung wertet das die US-Justiz, die deswegen auch Trumps Butler angeklagt hat6.» Trump brüstete sich laut Tonaufnahmen bei seinen Mitarbeitern mit der Vertraulichkeit und Brisanz der Dokumente und scherzte darüber, «gerade gegen die Geheimhaltungsvorschriften zu verstossen». Bei kommenden Gerichtsterminen geht es auch um seinen mutmasslichen Versuch der Wahlfälschung sowie seinen Beitrag zum Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021, als «unter seiner Aufsicht beinahe die Demokratie zertrümmert wurde»7. Zur bisherigen Bilanz Trumps gehört auch sein zweifelhafter Umgang mit Frauen und Immobilien.
Was zu denken gibt: Trumps bisherige Karriere als Lügenbaron hindert die (Rechts-)Evangelikalen in den USA nicht daran, ihm zu folgen. Offensichtlich genügt ihnen, dass er im Kampf gegen die Abtreibung an ihrer Seite steht. Ist das nicht etwas zu wenig8? Oder sehen wir hier gar einen falschen Messias am Werk? Das wäre dann definitiv eine teuflische Angelegenheit.
Der gefallene Boris
Boris Johnson ist der einzige unserer drei vorgestellten Lügenbarone, der immer wieder auf die Nase fällt. Kürzlich wohl zum letzten Mal. Der frühere Premierminister habe das britische Parlament mehrfach bewusst irregeführt, sagten kürzlich die sieben Abgeordneten des zuständigen Untersuchungsausschusses, darunter vier von seiner eigenen Partei. Das Fazit des Berichtes über die Lockdown-Partys in der Regierungszentrale während Corona zeigt, dass er den versammelten Parlamentariern «schlicht kecke Lügen aufgetischt hatte9». Es stimme auch nicht, «dass ihm seine Top-Beamten immer versichert hätten, er habe sich brav an alle Vorschriften gehalten.» Johnson habe auch versucht, den Ausschuss selbst zu täuschen. «Er habe mit üblen Attacken die Legitimität des Parlamentes in Frage gestellt. Und das sei laut dem Untersuchungsausschuss «ein Angriff auf unsere demokratischen Institutionen».
Auch die Lügengeschichten von Johnson liessen sich wohl verlängern. Allerdings gibt es in der ältesten modernen Demokratie Europas offensichtlich genügend politische Wachsamkeit, um hier einzuschreiten. So wollen laut jüngsten Umfragen bereits 56 Prozent aller Wählerinnen und Wähler Boris Johnson «im Parlament nicht mehr sehen».
Die Wahrheit wird euch frei machen
Lügen haben manchmal nicht nur lange Beine, sie gefährden auch die Demokratie, wie wir in allen drei Fällen gesehen haben.
Darum heisst die Gegenbewegung, die wir heute brauchen: Wahrheit und Transparenz statt Lügen. Nur so kann dem Bösen in seinen unterschiedlichen Gestalten entgegengetreten werden. Bei der Suche nach Wahrheit müssen wir aber unsere Scheu und unsere Scheuklappen ablegen – von der Psychotherapie bis hin zur Politik. Es ist ja wohl kein Zufall, dass uns Jesus als die Wahrheit in Person10 vorgestellt wird.
1 https://www.youtube.com/watch?v=dF7XJ5OZn44 und https://www.youtube.com/watch?v=4GK0DETWYPQ
2 Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) ist dadurch gekennzeichnet, dass verschiedene Persönlichkeitszustände (dissoziative Identitäten) abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen übernehmen. Diese Identitäten verfügen über eigene Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Wahrnehmungs- und Denkmuster. Zusätzlich treten Erinnerungslücken zu Ereignissen oder persönlichen Informationen auf, die nicht mehr durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärbar sind (Wikipedia, 29.6.23)
4 Tiroler Tageszeitung vom 14.6.2023, siehe: https://www.tt.com/artikel/30857107/staatsbegraebnis-fuer-silvio-berlusconi-in-mailand-jetzt-trifft-er-gott?slide-id=1
5 Marc Beise in «Der Bund» vom 14.6.23
6 «Der Bund» vom 14.6.23
7 «Der Bund» vom 26.6.23
9 «Der Bund» vom 16.6.23
10 Johannes 14,6
Schreiben Sie einen Kommentar