Zwischen den beiden Weltkriegen kam es zu einem gesellschaftlichen Umbruch. Architektinnen und Planer setzten sich ein für die Menschen in engen Mietskasernen, die oft unter Krankheiten wie Tuberkulose litten. Sie plädierten für Wohnungen, die sich nach Luft, Licht und Sonne orientierten. Es war der erste Schritt in einer Entwicklung, die zu einem verantwortungsvollen Wohnungsbau führte.
Demokratisierung im Wohnungsbau
Der neue Baustil, die klassische Moderne, befreite die Bauten von den überaus üppigen kostspieligen Fassadendekorationen, um mehr Geld für die eigentliche Bauaufgabe zu gewinnen. Daraus entstanden klar geformte, schnörkellose Bauten mit grossen Fensteröffnungen, dazu kamen zunehmend hilfreiche haustechnische Einrichtungen wie normierte Küchen, Bäder und Zentralheizungen.
Nach dem 2. Weltkrieg setzte eine eigentliche Demokratisierung im Wohnungsbau ein. Die Wohnungen, die Fassaden, ja sogar der Lebensstil wurden normiert, damit sich der grösste Teil der Bevölkerung eine anständige Wohnung leisten konnte. Der Mittelstand wohnte nun in einheitlichen Bauten mit den immer gleichen Fensterreihen, niemand sollte übervorteilt werden. Eine Drei-Zimmer-Wohnung galt bis in die 70er Jahre als die Familienwohnung.
Trend zur Individualisierung
Mit der Postmoderne ab den 70er Jahren veränderte sich die Gesellschaft: Es setzte eine stärkere Individualisierung ein. Vielfalt und Pluralismus wurden nun zunehmend stärker gewichtet. Das wird auch an den Bauten sichtbar: Viele stehen ohne Zusammenhang mit den Nachbarbauten da. Sie fügen sich kaum in vorgegebene Baustrukturen ein, ausser wenn das von aussen mit Regeln vorgegeben wurde. Dieser Trend brachte auch Vorteile: die Architektur wurde bunter und vielfältiger, die Wohnungsgrundrisse diverser.
Heute gibt es fast für jedes Bedürfnis eine passende Wohnung. Die meisten können so leben, wie sie wollen. Ich habe gelesen, dass die Schweiz das freiste Land der Welt sei. Diese Freiheit muss aber gelernt werden.
Beim Bauen und Wohnen mit unserer Freiheit umgehen lernen
Die Philosophin Jeanne Hersch hat diesen Aspekt in ihrem Buch «Von der Schwierigkeit, Freiheit zu ertragen» aufgegriffen. Was ist unser Leitpass beim Umgang mit unserer Freiheit? Sicher, es kann oft einfacher sein, das zu tun, was vorgegeben ist oder einer Führungsperson zu folgen, ohne selber nachdenken zu müssen. Herausfordernder ist es aber, in Eigenverantwortung zu leben.
Christen haben einen Kompass beim Gestalten ihrer Freiheit. Sie möchten vor Gott ihre Verantwortung wahrnehmen, indem sie auf ihre Mitmenschen und die Umwelt achten.
Gott hat uns eine grosse Freiheit gegeben. Aber nicht, um gedankenlos tun und walten zu können, wie es uns passt. Im heutigen Wohnungsbau heisst das, dass wir weniger am Profit orientiert und gleichzeitig ressourcenschonend bauen, die individuellen Bedürfnisse wahrnehmen und sie doch in ein grosses Ganzes einordnen.
In der Stadt Zürich gehören etwa 27% der Wohnungen zum gemeinnützigen Wohnungsbau. Daneben gibt es auch private Bauherrschaften, die nicht nur gewinnorientiert bauen. Diese Bauträger machen Wohnungen erschwinglich, viele dieser Überbauungen sind gemeinschaftsorientiert. Der Boden wird dabei nicht vermarktet, sondern als kostbares Gut angesehen, dem man Sorge tragen muss. Ich denke, in diese Richtung müssen wir uns auch in Zukunft bewegen.
Um dies zu fördern, gibt es seit mehr als 30 Jahren unter dem Dach der Vereinigten Bibelgruppen den Fachkreis Architektur. Er bietet Seminare, Exkursionen und Reisen an, bei denen Architekten und Architektinnen und weitere Fachleute aus dem Bauwesen über ihre Verantwortung beim Bauen nachdenken.
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