Praxis: Einfach vor Gott sein

Beziehungen wandeln sich. Auch unsere Beziehung zu Gott. Was bleibt: Es ist wichtig, dass wir immer wieder neu lernen, einfach vor Gott da zu sein.

(Lesezeit: 5 Minuten)

(Bild: Myriams-Fotos auf Pixabay)

Müder Geist, nun kehr zur Ruh und vergiss der Bilder alle.

Schliess die Augen sachte zu, was nicht Gott ist, dir entfalle.

Schweig dem Herrn und halt ihm still, dass er wirke, was er will.1

 

Eins werden

Wie jede echte Beziehung sich im Laufe der Zeit wandelt, so auch die Art meiner Vertrautheit mit Gott, meinem Schöpfer, Erlöser und Erhalter:

1. Gesprochene Worte: Bitten, danken, loben, klagen.

2. Betrachtende Ebene (Meditation): Worte werden weniger.

3. Einfaches Gebet: Reflexion tritt immer stärker zurück, Loslassen von Worten, Gedanken, Emotionen, einfaches «Dasein vor Dir, Gott».

Wenn ich «einfach so vor Gott BIN», «mache» ich nichts. Ich verweile in der Gegenwart des lebendigen Gottes, und seine Kraft verwandelt mein «einfaches Schauen» in einen immer tieferen Blick, bis das Eins-Werden mit Gott geschenkt wird, das in Johannes 17,11-24 beschrieben ist:

Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich komme zu dir. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir! Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. … Aber jetzt komme ich zu dir und rede dies noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben. Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind. Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.

 

Ein Weg, der Treue, Ausharren und Zeit erfordert

«Was wir im Auge haben, das prägt uns, da hinein werden wir verwandelt, und wir kommen, wohin wir schauen2

Wenn der Erlöser mir begegnet, verwandelt er mich. Wenn er mir nahe ist (unabhängig davon, ob ich es spüre oder nicht), wenn ich für ihn durchlässig werde, dann leuchtet mein eigentliches Wesen auf: «Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn2.» Indem ich auf das «Bild Christi» schaue, schaut Gott selbst mich an. Sein liebender Blick

  • durchdringt mich,
  • führt mich in die Wahrheit,
  • weckt in mir Liebe,
  • weckt Sehnsucht, die mich zu ihm hin zieht
  • und verwandelt mich so in das Bild seines Sohnes.

 

Wie integriere ich das praktisch in meinen Lebensalltag?

1. Ich entscheide mich, mir regelmässig 20 bis 30 Minuten Zeit zu nehmen oder einmal in der Woche 30 bis 50 Minuten.

2. Ich begebe mich an einen Ort, an dem ich ungestört bin (Mitbewohner informieren, Telefon ausschalten, evtl. Wecker stellen, damit ich nicht die ganze Zeit auf die Uhr schauen muss).

3. Ich nehme eine mir angenehme Haltung ein und lege Papier und Stift vor mich hin, damit ich Abschweifungen notieren («das darf ich auf keinen Fall vergessen») und dann getrost los-lassen kann.

4. Ich beginne bewusst, indem ich zum Beispiel eine Kerze anzünde, die mich daran erinnert, dass Jesus Christus das Licht der Welt und auch mein persönliches Licht ist; oder indem ich ein Kreuzzeichen mache, das mich daran erinnert, dass ich auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft bin, dass ich im neuen, ewigen Bund lebe, den Jesus Christus mit mir geschlossen hat; oder ich bete ein über längere Zeit gleichbleibendes Anfangsgebet.

5. Ich habe nun eine Zeit, in der ich absichtslos bei Gott verweilen will und lerne, Zeiten glaubend auszuhalten, in denen sich scheinbar nichts tut – bis der Wecker klingelt: Mich IHM über-lassen und IHN wirken lassen.

6. Ich schliesse die Zeit mit einem persönlichen Gebet, dem Vater Unser, einem Kreuzzeichen o.ä. ab. Manchmal schreibe ich mir in meinem geistlichen Tagebuch etwas aus dieser Zeit auf.

 

1 G. Tersteegen

2 Heinrich Spaemann

3 2. Korinther 3,18

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