Mann/Frau/Familie: Unverdienbar und unverlierbar – die Menschenwürde

In unserer Zeit wird viel vom Schutz der Rechte und der Würde des Menschen gesprochen. Doch, wird diese Würde in der Praxis tatsächlich hochgehalten? Und, falls ja, gilt sie bedingungslos allen Menschen? 

(Lesezeit: 6 Minuten)

Aus welcher Quelle speist sich die Menschenwürde in einer Gesellschaft, die zunehmend keinen Gott mehr anerkennt? Kann der Mensch sich selbst und anderen eine Menschenwürde zusprechen, die derjenigen entspricht, die Christen in der Gottesebenbildlichkeit erkennen? Und, falls ja, gelingt es dem selbstbestimmten Menschen, dies unparteiisch und bedingungslos zu tun?

 

(Bild: 12138562 auf Pixabay)

Menschenwürde für Ungeborene

Seit mehr als zwanzig Jahren setze ich mich für ungeplant schwangere Frauen und ihre Kinder ein und habe mich in dieser Zeit auch immer wieder gefragt, warum ich dies tue.

Die Antwort ist keine romantische: Ich bin nicht Lebensschützerin, weil ich Situationen idealisiere und die Probleme betroffener Mütter ignoriere. Ich bin Lebensschützerin, weil ich glaube, dass jeder Mensch ein im Ebenbild Gottes Geschaffener ist und deshalb unbedingte Würde besitzt. Weil ich in der Bibel lese, dass Gott für Menschen schon lange vor ihrer Geburt Pläne schmiedet.

Wer bin ich, um über das Lebensrecht dieser kleinsten Mit-Menschen zu entscheiden? Mögen die Umstände auch noch so schwierig sein und die Zukunftsaussichten im Moment vielleicht düster aussehen: Wer bin ich, Prognosen zu «zementieren» oder lebenswertes und lebensunwertes Leben zu definieren?

Klar ist, dass der unbedingte Wert, den wir anderen zusprechen, auch unsere eigene Würde stützt. Lange bevor ich etwas geben oder leisten konnte, hat Gott mir unverdienbare und unverlierbare Würde zugesprochen. Wie könnte ich anderen dieses Privileg verweigern?

 

Menschenwürde im Alter

Ich bin unterdessen in der Lebensphase angekommen, in der viele von uns sich um alte, gebrechliche und oft auch kranke Eltern kümmern. Meine bald 90-jährige Mama weint oft über ihre Vergesslichkeit und leidet täglich unter dem Gefühl, nichts «Nützliches» mehr beitragen zu können. Schulterklopfen und flotte Sprüche helfen in dieser Situation wenig. Was hingegen ankommt, ist der von Herzen kommende Zuspruch bedingungsloser Würde und Daseinsberechtigung.

An den Gesichtern der anderen Altersheim-Bewohner sehe ich, dass dieser Zuspruch auch ihnen Mut macht; gerade ältere Menschen haben ja oft ein feines Gespür für Zwischentöne und Emotionen. Dass so viele von ihnen sich nur noch als Last und Kostenverursacher empfinden, zeigt, auf welch unsicheren Beinen unser gesellschaftliches Verständnis von Menschenwürde steht.

 

Menschenwürde als Grundlage echter Freiheit

Als Mutter von vier unterdessen erwachsenen Kindern habe ich viel über Erziehung nachgedacht. Immer wieder mal führen mein Mann und ich Gespräche, in denen wir kritisch auf unser Elternsein zurückblicken. Nicht alles ist gelungen, auch nicht in Bezug auf die Gewährung echter Freiheit und den Zuspruch bedingungsloser Würde.

Tatsächlich frei sind unsere Kinder nur, wenn sie erleben, dass sie nicht aus der Beziehung fallen und nicht an Wert verlieren, wenn sie uns verletzen oder andere Wege gehen, als wir uns für sie wünschen. Dies als Mütter und Väter zu leben, ist hohe Schule. Es erfordert sowohl einen ehrlichen Umgang mit den eigenen Gefühlen wie auch das Lernen vom himmlischsten aller Väter, der im wohl bekanntesten Gleichnis als Erstes die Würde seines heimgekehrten verlorenen Sohnes wiederherstellt. In dieser Haltung möchte ich wachsen, da gibt es durchaus noch Luft nach oben!

 

Menschenwürde auch für politische Gegner

Wohl alle von uns haben schon den Slogan «Keine Toleranz den Intoleranten» gehört. Bei näherem Hinhören eine erschreckende Aussage: Sie erklärt Menschen mit anderen Haltungen zu einer Art «Freiwild» ohne Anspruch auf Anstand, Respekt oder Schutz. Und auch wenn dieser Satz nicht offen skandiert wird, begegnet er mir als Haltung insbesondere bei Bekannten, die sich selber wohl als tendenziell tolerant und sozial einordnen würden. Bloss eben nicht denen gegenüber, die komplett daneben sind, der falschen Partei angehören oder was auch immer die Schublade sein mag, in die «Intolerante» gesteckt werden.

Doch genau hier setzt die Bergpredigt an. Was Jesus darin über den Umgang mit unseren Feinden und (politischen) Gegnern sagt, ist der Schlüssel zum Zuspruch bedingungsloser Menschenwürde – weit über unsere persönliche Schmerzgrenze hinaus. Wir sind aufgefordert, gerade und insbesondere unseren Gegenspielern Gottesebenbildlichkeit und den daraus entstehenden Respekt zuzugestehen.

Gelingen wird uns dies wohl nur, wenn wir es uns gefallen lassen, dass der Schöpfer Würde definiert – unsere eigene und die unseres Nächsten. Jeder von uns ist unverdienbar und unverlierbar wertvoll. Auf dieser Basis ist es möglich, respektvolle Debatten zu führen und ein gesellschaftliches Klima zu prägen, in dem Menschen sich unabhängig von Alter und Leistung ihrer Menschenwürde sicher sein können.

 

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