Einstieg
Ich lese langsam, wenn möglich laut, Wort für Wort, Satz für Satz den folgenden Text von Paul Roth1:
Du kannst dir nicht ein Leben lang
die Türen alle offen halten,
um keine Chance zu verpassen.
Auch wer durch keine Türe geht und
keinen Schritt nach vorne tut,
dem fallen Jahr für Jahr
die Türen eine nach der andern zu.
Wer selber leben will,
der muss entscheiden:
Ja oder nein –
im Grossen und im Kleinen.
Wer sich entscheidet, wertet, wählt
und das bedeutet auch:
Verzicht.
Denn jede Tür, durch die er geht,
verschliesst ihm viele andere.
Man darf nicht mogeln und so tun,
als könne man beweisen,
was hinter jener Tür geschehen wird.
Ein jedes Ja – auch überdacht, geprüft –
ist zugleich Wagnis
und verlangt ein Ziel.
Das aber ist die erste aller Fragen:
Wie heisst das Ziel, an dem ich messe Ja und Nein?
Und: Wofür will ich leben?
Gedankenanstösse
- Was klingt in mir an ... Was spricht mich an ... Wo spüre ich Zustimmung / Widerstand ...
- Mein Ziel – wie heisst es ...?
- Bewege ich mich darauf zu ...?
- Ich rede mit Gott darüber ...
- Woran messe ich mein Ja und mein Nein ...?
- Ich rede mit Gott darüber ...
- Wofür will ich eigentlich, letztlich leben ... ?
- Ich rede mit Gott darüber ...
- Gibt es heute ein Ja, zu dem ich mich entscheiden will ...?
- Ich rede mit Gott darüber ...
- Entscheiden bedeutet auch verzichten. Worauf dürfte ich verzichten, damit mehr gottgewolltes Leben sich entfalten kann ...?
- Gibt es heute ein Nein, zu dem ich mich entscheiden will ...?
- Ich rede mit Gott darüber ...
Hintergründe
Entscheidung
beginnt mit Scheidung:
Setzt Ja gegen Nein in
klarer Wahl2.
Mit der Zeit verliert das Erwählte an Faszination,
und das Nicht-Gewählte gewinnt an Reiz:
Schon stehen sich beide Teile im Gleich-Gewicht gegenüber:
Gleiche Gewichte auf beiden Seiten,
zu beiden Teilen gleiche Anziehung:
Jetzt kommt der Zwei-fel,
und klärt uns auf
über die Wahrheit des Zwei
und über unsere Täuschung,
im einen gewählten Teil das Ganze zu vermeinen.
Der Teil, den man vor-zog,
droht zum Nach-Teil abzusinken,
während sein Gegen-Teil,
einst hintan gestellt,
in Vor-Teil kommt.
Das ist der kritische Punkt im Laufe jeder Ent-Scheidung:
Es stellt sich die Frage nach dem Seiten-Wechsel ...
Bei genauerer Unter-Scheidung aber stellt sie sich als Versuchung dar.
Das ist die Stunde der reifen Ent-Scheidung:
Sie vollendet das angefangene Werk mit dem Brücken-Schlag ihres «Ent»,
das Scheidung rück-gängig macht
durch Verdoppelung ihres Ja:
Zum bereits bejahten Teil ihrer ersten Wahl
wählt sie nun noch das Ja zum Verzicht auf sein Gegen-Teil:
Statt Seiten-Wechsel,
Wechsel-Seitigkeit:
Ab-Grenzung als
An-Grenzung erschlossen.
So läutert sich das frühere zu leichte Nein zum Gegen-Teil
zum schwerer wiegenden Ja
zu dessen gänzlichem Verzicht,
gibt altem Ja neues Gewicht
und neuem Ja ur-alte Wichtigkeit.
Das ist das Ent-Scheidende.
1 Aus: Paul Roth, Wir alle brauchen Gott, Echter Verlag 1975, ISBN: 978-3429004125
2 Jürg Lenggenhager, Künstler, Bern
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