Die Kuh sei ein Klimakiller. Diese Meinung ist heute weit verbreitet. Deshalb werden immer mehr pflanzliche Ersatzprodukte entwickelt und mit viel Marketingaufwand als gut für die Umwelt propagiert. «Für die Umweltbilanz schauen wir CO2- und Wasser-Fussabdruck, Gewässerbelastung und Landnutzung an: Bei allem schneidet der Haferdrink besser ab als Kuhmilch (zum Beispiel 0,3 Kilo CO2 pro Liter Haferdrink, 1,3 bis 1,7 Kilo CO2 pro Liter Milch).» Das schreibt «Chrismon, das evangelische Magazin»1.
Fragwürdige Berechnungen
Die Emissionen pro Kilogramm eines Produkts anzugeben, ist jedoch wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. So wird ignoriert, dass Haferdrink eine ganz andere Zusammensetzung hat als Kuhmilch. 1 Liter Haferdrink enthält laut der Schweizer Nährwertdatenbank 0,7 Gramm Protein2, ein Liter Kuhmilch 3,2 Gramm, also gut 4,5-mal mehr – und dieses ist erst noch von deutlich höherer biologischer Wertigkeit.
Für die Schweiz ist auch nicht relevant, dass für 2 dl Haferdrink 10 Liter Wasser, für die gleiche Menge Kuhmilch 200 Liter Wasser3 verbraucht werden. Denn in regenreichen Grünlandregionen wie dem Toggenburg oder dem Luzerner Hinterland ist Wasser kein kritischer Faktor.
Was im Hafer steckt
Hafer enthält effektiv namhafte Mengen an essenziellen Aminosäuren, an Mineralstoffen wie Kalium, Magnesium und Eisen sowie an Ballaststoffen. Im Hafergetränk ist jedoch nur noch ein Teil dieser Nährstoffe vorhanden. Denn für Haferdrink werden die Flocken in Wasser eingeweicht und püriert. Nach einer kurzen Fermentationsphase wird der Haferbrei gefiltert – und ein namhafter Teil des Hafers weggeschmissen. Bei der industriellen Verarbeitung werden anschliessend oft noch Zusatzstoffe wie etwa Kalzium oder Stabilisatoren hinzugefügt und das Produkt wird durch Ultrahocherhitzen haltbar gemacht4. Das ist für die Gesundheit nicht optimal. Denn es gilt die Regel: Je unverarbeiteter ein Lebensmittel, desto besser für die Gesundheit. Das zeigte die Lausanner Universitätsprofessorin Murielle Bochud im November 2021 an der Tagung «Brennpunkt Nahrung».
Ausserdem: Für Haferdrink muss Ackerland genutzt werden, das beschränkt vorhanden ist. Kuhmilch kommt in der Schweiz mehrheitlich von Wiesen und Weiden, deren Gras der Mensch direkt nicht verzehren kann. Zudem fressen Kühe Nebenprodukte der Lebensmittelherstellung wie Zuckerrübenschnitzel. Weltweit stehen pro Person 4400 Quadratmeter Wiesen und Weiden und 2000 Quadratmeter Ackerfläche zur Verfügung.
Nicht zuletzt liefern Kühe Gülle und Mist. Mist kann nicht nur Mineraldünger ersetzen, dessen Herstellung viel Energie verbraucht. Er ist auch wertvoll für die Biodiversität. «Eine Tonne Kuhfladen pro Kuh und Monat bildet die Ernährungsgrundlage für ca. 20 Kilogramm Insektenbiomasse und davon ernährt sich wiederum 10 Kilogramm Vogel-Biomasse», erklärte Knut Schmidtke, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, an der Tagung «Brennpunkt Nahrung». Auch bindet Grasland CO2 – was in der CO2-Statistik aber nicht berücksichtigt wird. Die Schweizer Milchproduzenten kommen zum Schluss, dass Milch punkto Ernährung bis zu achtmal klimaschonender ist als ein Hafergetränk5.
Ein Blick auf die unterschiedlichen Aussagen zeigt, dass es eine Spannweite von «Chrismon» bis zu den Milchproduzenten gibt. Die Frage, welche Auswirkungen ein Produkt auf die Schöpfung hat, ist aus meiner Sicht nicht messerscharf zu beantworten. Bei allen Angaben und Studien zur Umweltwirkung spielt immer eine Rolle, welche Aspekte einbezogen und welche weggelassen werden.
Sinnvolle Ernährung
Wer sich ressourcenschonend und klimafreundlich ernähren will, sollte sich nicht auf einzelne Produkte fixieren. Denn das hilft eher der Lebensmittelindustrie und dem Detailhandel als dem Klima.
Anstatt Milch und pflanzliche Alternativen gegeneinander auszuspielen, ist es zielführender, sich massvoll, vielseitig und abwechslungsreich zu ernähren, möglichst unverarbeitete Lebensmittel zu kaufen und bei Früchten und Gemüse auf die Saison zu achten. Wer ausserdem noch möglichst wenig Lebensmittel wegwirft, hat schon viel für die Schöpfung und die eigene Gesundheit gemacht.
1 https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2022/52301/oekobilanz-von-haferdrink
2 https://naehrwertdaten.ch/de/search/#/food/331363
https://naehrwertdaten.ch/de/search/#/food/331363
Haferdrink: 0,7 Gramm Protein
https://naehrwertdaten.ch/de/search/#/food/331227
Milch: 3,2 Gramm Protein, (Faktor 4,57)
4 https://utopia.de/ratgeber/hafermilch-haferdrink-milchersatz/
https://www.hafer-die-alleskoerner.de/ernaehrungsberatung/hafer-wissen/hafer-naehrstoffe
5 Broschüre «Die Mehrwerte der nachhaltigen Schweizer Milch», swissmilk, Oktober 2021
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