Ernährung: Macht Essen (un)glücklich?

Die meisten Menschen verbinden Essen mit Emotionen. Wir kennen dabei die Folgen von negativen Emotionen, wenn einem vor Schreck «das Essen im Hals stecken bleibt», wenn Ärger, Wut oder Stress dazu führen, dass die Einen «keinen Bissen runter kriegen», während andere «sich vollstopfen». Viel angenehmer sind natürlich positive Erinnerungen an ein Festessen, an ein gemütliches Tête-à-tête im Restaurant am See oder auch nur an die einfache, aber stärkende Mahlzeit nach einer langen Bergwanderung. 

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Der Volksmund behauptet «Hunger ist der beste Koch». Und bereits vor Jahrtausenden schrieb König Salomo in seinen Sprüchen: «Besser ein Gericht Kraut mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass.» Es ist seit langem bekannt, dass sowohl die Begleitumstände, das Ambiente als auch Zubereitung und Präsentation des Essens mit zu unserer unmittelbaren emotionalen Reaktion beitragen; darauf möchte ich hier nicht näher eingehen.

(Bild: Oleksiy Shuman auf Pixabay)

Nutritional Psychiatry – eine neue Fachrichtung

Weniger bekannt ist, dass auch das, was wir essen, unsere Emotionen und unsere Lebensqualität längerfristig beeinflusst. Zwar sind diesbezüglich noch längstens nicht alle Fragen geklärt, doch Erkenntnisse aus in den letzten Jahren durchgeführten Studien haben zur Entwicklung einer neuen Therapierichtung geführt. Im englischsprachigen Raum wurde dafür der Begriff «Nutritional Psychiatry» geprägt. Wörtlich übersetzt bedeutet dies «Ernährungspsychiatrie», was für uns doch etwas sonderbar klingt.

 

Wenn es an Glück mangelt

Vereinfacht ausgedrückt kann man vier doppelte Grundemotionen unterscheiden: Zufriedenheit und Glück, Angst und Furcht, Wut und Ärger sowie Depression und Traurigkeit. Glück im Sinne eines Zustandes, also glücklich sein, meint das Erleben von möglichst vielen positiven und möglichst wenig negativen Emotionen. Depressive Erkrankungen hingegen zeigen sich in der verminderten Fähigkeit, Freude und Glück zu empfinden. Depressionen und andere seelische Erkrankungen sind multifaktoriell bedingt. Sie entstehen durch das Zusammenwirken verschiedener körperlicher, seelischer, sozialer und spiritueller Faktoren. Die üblichen Therapien – Psychotherapie und/oder Medikamente – sind in ihrer Verfügbarkeit und Wirksamkeit beschränkt und teilweise mit erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen belastet. Daher besteht ein grosses Interesse an neuen, natürlichen und ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten.

 

Von Mikronährstoffen …

So ist es naheliegend, auch unsere Ernährungsweise in ihren Auswirkungen auf unsere Emotionen zu untersuchen. Diesbezüglich gibt es verschiedene Forschungsansätze. Traditionellerweise hat man sich zuerst auf die Untersuchung der Wirkungen einzelner Mikronährstoffe wie Vitamine, Aminosäuren, Fettsäuren, Mineralien oder Spurenelemente beschränkt. Dabei ergaben sich Hinweise darauf, dass vor allem bei Depressionen die Ergänzung oder zusätzliche Zufuhr von Vitamin D3, Omega-3 Fettsäuren, Folsäure, Methylfolat, SAMe (S-Adenosylmethionin), Zink, Vitamin C und Tryptophan eine gewisse Wirkung haben kann. Allerdings waren die Wirkungen, sofern kein vorheriger Mangel nachgewiesen werden konnte, oft sehr bescheiden. Ein Mangel an Vitamin B12 oder Eisen wirkt sich aber erwiesenermassen depressionsverstärkend aus.

 

… zu Lebensmitteln

In den letzten Jahren hat sich ein Wechsel der Forschungsstrategie ergeben. Da man ja kaum Mikronährstoffe isoliert zu sich nimmt, wird zunehmend die Wirkung ganzer Lebensmittel untersucht. Sowohl die Qualität unserer Nahrung als auch die Quantität spielen dabei eine Rolle. Was wir im Überfluss essen, wirkt sich genauso gewichtig und schädlich aus, wie das, wovon wir zu wenig haben. Zudem können sich verschiedene Stoffe in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder hemmen oder auch erst durch ihre Kombination eine Wirkung auslösen.

Verschiedene in den letzten Jahren durchgeführte grosse Studien weisen auf einen doppelten Zusammenhang hin: Ungesunde Ernährung steht in einer Beziehung zu vermehrt negativen und weniger positiven Emotionen, während gesunde Ernährung in Beziehung steht mit mehr positiven und weniger negativen Emotionen. Beide Zusammenhänge zeigen sich unabhängig voneinander, was darauf hinweist, dass sie nicht bloss zufällig, sondern ursächlich sind.

 

Was ist gesund?

Als gesund herausgestellt haben sich hauptsächlich pflanzliche Lebensmittel, wie sie zum Beispiel  in einer vegetarischen Kost oder in der Mediterranen Ernährung (Mittelmeerdiät) enthalten sind. Diesen Ernährungsformen ist der reichliche Verzehr von Früchten, Gemüsen, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide und Nüssen und der darin enthaltenen Ballast- und sekundären Pflanzenstoffen gemeinsam. Auf verarbeitetes und rotes Fleisch, gesättigte Fette und raffinierte Produkte, aber auch auf Emulgatoren und künstliche Süssstoffe – alles Produkte, die sich als ungesund herausgestellt haben – wird hier weitgehend verzichtet.

 

Wie wirkt die Ernährung?

Es sind heute verschiedene Wege bekannt, wie gesunde Ernährung ihre Wirkung auf das Gehirn und die Emotionen entfaltet.

Einerseits muss die Ernährung die Zufuhr der Grundstoffe abdecken, mit denen die notwendigen Botenstoffe hergestellt werden können. Für die Produktion von Serotonin, einem wichtigen Botenstoff, der bei Depressionen oft vermindert wirksam ist, ist beispielsweise die genügende Zufuhr der Aminosäure Tryptophan wichtig. Tryptophan kommt unter anderem in folgenden Lebensmitteln vor (in aufsteigender Reihenfolge): Hafer und Haferflocken, Gartenbohnen, Mandeln, Sesam, Sojabohnen, gerösteten Kürbiskernen und Tofu. Serotonin, welches direkt in der Nahrung, etwa in Bananen und Schokolade, enthalten ist, kann leider die Bluthirnschranke nicht gut überwinden und deswegen keine Wirkung im Gehirn entfalten.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Ernährung in Bezug auf die sogenannten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren verschlechtert. Während Arachidonsäure (eine langkettige Omega-6-Fettsäure) negative Auswirkungen auf die Botenstoffe ausübt und die Entzündungsbereitschaft erhöht – beides begünstigt das Auftreten von Depressionen – , helfen Omega-3-Fettsäuren bei der Behandlung von Entzündungen. Arachidonsäure kommt in hohem Mass in Fleisch, Fisch und Eiern vor, in geringerem Mass auch in Milch und Milchprodukten. Omega-3-Fettsäuren sind zum Beispiel (in aufsteigender Reihenfolge) in Mandeln, gerösteten Weizenkeimen, Spinat, Mungobohnen, Tofu und anderen Sojaprodukten, Weizenkeimen, Walnüssen sowie Leinsamen oder Leinöl enthalten.

Sogenannte Transfettsäuren, wie sie unter anderem bei unvollständiger Fetthärtung oder beim Erhitzen und Braten von ungesättigten Fettsäuren entstehen, wirken sich negativ auf unsere Emotionen aus. Selbst bei jungen Menschen führen sie innert weniger Jahre zu einem gehäuften Auftreten von Depressionen und einer schlechteren Lebensqualität. Transfettsäuren kommen etwa  in Margarine, Fertigprodukten, Pommes frites, Chips, Keksen, Backwaren und in geringerer Menge auch in Milchprodukten oder im Fleisch von Wiederkäuern vor.

 

Die neuronale Plastizität

Nicht nur die Zusammensetzung der Nahrung spielt für deren Wirkung eine Rolle, sondern auch die Menge. Eine Überernährung, welche zu Übergewicht führt, ist mit einem vermehrten Auftreten von Depressionen und anderen Erkrankungen des Gehirns verbunden. Damit das Gehirn optimal funktionieren, also zum Beispiel eine gute Stimmung bewahren, aber auch Neues lernen und sich an Altes erinnern kann, muss es sich seine Plastizität bewahren und damit anpassungsfähig und veränderbar bleiben. Diese sogenannte neuronale Plastizität wird hauptsächlich über den wichtigen Wachstumsfaktor BDNF (brain derived neurotrophic factor) reguliert. BDNF ist wichtig für das Entstehen neuer Nervenzellen, für deren Wachstum und Ausreifung, Bildung von Verästelungen und für die Übertragung der Information von einer Zelle auf die andere. BDNF steuert auch die Regeneration von Nervenzellen und die Reparatur von kleinen Schäden, was zu einer anhaltend guten Funktion notwendig ist.

Adipositas (Übergewicht) oder auch die erhöhte Zufuhr von gesättigten Fettsäuren führt zu einer Reduktion von BDNF. Dadurch werden die genannten Funktionen gestört und es kommt zu vorzeitiger Alterung. Dies lässt verstehen, dass sich eine Reduktion von BDNF auch bei chronischen Schädigungen des Gehirns findet, wie etwa bei Morbus Parkinson oder Alzheimer-Demenz.

Eine Einschränkung der Kalorienzufuhr, das heisst keine Zwischenmahlzeiten, nur 2-3 Mahlzeiten täglich, im Sinne eines periodischen Fastens nach Möglichkeit auch mal der Verzicht auf das Abendessen, eine pflanzliche Ernährung mit verminderter Zufuhr gesättigter Fette und eine Gewichtsreduktion können helfen, BDNF wiederum zu erhöhen und eine eingeschränkte neuronale Plastizität zu verbessern. Verstärkt wird dieser Effekt durch ein intensives körperliches Training, genügend Sonnenlicht und gute soziale Beziehungen.

 

Das Mikrobiom

Die Ernährung beeinflusst die Emotionen aber auch über ihre Auswirkungen auf die Darmflora. Die Zusammensetzung des sogenannten Darmmikrobioms beeinflusst die Funktion unserer Gene und unser Immunsystem. Ebenso hat sie Auswirkungen auf das Nerven- und Hormonsystem sowie auf den Stoffwechsel. Die Zusammensetzung der Darmflora ist abhängig von unserer Ernährung. Eine Überernährung oder Fehlernährung im westlichen Stil führt zu einer so genannten Dysbiose, also einer ungünstigen Zusammensetzung der Darmflora mit negativen Auswirkungen auf die genannten Systeme, die Stimmung und generell die Gehirngesundheit.

 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Auch wenn das Zusammenspiel dieser verschiedenen Systeme sehr komplex und noch nicht vollständig geklärt ist, sind die Schlussfolgerungen doch ganz einfach: Wer an einer langfristig glücklichen Stimmung, dem Erleben vieler positiver Emotionen und einer guten Funktion seines Gehirns interessiert ist, tut gut daran, stets Mass zu halten und sich für eine vorwiegend pflanzliche Ernährung zu entscheiden. 

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