Dorfentwicklung: Heimatschutz mit Zukunft 

Es ist wichtig, dass wir Vorstellungen und Bilder für die zukünftige Gestaltung unseres Lebensraums entwickeln, meint unser Kolumnist, der selber beruflich in der Stadtentwicklung von Liestal engagiert ist. Warum das so wichtig ist und was das mit Werten zu tun hat, zeigt er am Beispiel des Dorfes Ziefen BL.

(Lesezeit: 5 Minuten)

Kürzlich besuchte ich in meinem Nachbardorf Ziefen eine Veranstaltung des Baselbieter Heimatschutzes. Der Titel der Veranstaltung lautete: «Ziefen – das Dorf neu sehen und neu denken dürfen». Drei Architektenteams erläuterten im Rahmen eines Rundgangs ihre mutigen Entwürfe für die Entwicklung des historischen Dorfkerns.  Dabei wurde etwas sofort deutlich: Unterschiedliche Werte und unterschiedliche Analysen führen zu sehr verschiedenen Bildern für eine zukünftige Gestaltung.

Ziefen BL (Bild: Wikipedia)

Ausgangssituation

Ziefen ist in meinen Augen eines der schönsten und interessantesten Dörfer des Baselbiets. Historisch ist es ein Bachzeilendorf entlang der Hinteren Frenke, eingebettet in die grossartige Kulturlandschaft des Tafeljuras. Aber das Dorf ist auch geprägt von der lärmigen Hauptstrasse, die sich mitten durch den Ort zieht, was hier leider zu vernachlässigten alten Gebäuden führt. Die historische Dorfstruktur entlang der Hauptstrasse und der Frenke, so schön sie sein könnte, entspricht den heutigen Ansprüchen an die Lebens-, Arbeits- und Wohnformen leider nicht mehr.

Glücklicherweise besitzt die Gemeinde auf der hinteren Seite der Frenke ein grösseres, noch weitgehend unbebautes Grundstück. Es dient heute als Parkplatz und Entsorgungsstelle. Damit hat sich die Gemeinde einen wichtigen Handlungsspielraum erhalten.

Interessant war es nun, anhand der Entwürfe unterschiedliche Ziele und die damit verbundenen Werte zu diskutieren. Kann es gelingen, lediglich mit einer Umgestaltung die Hauptstrasse wieder zu einem Ort der Begegnung zu machen? Was bräuchte es zusätzlich zur Belebung dieses Raums? Einen Laden? Eine Kita? Eine Dorfbibliothek? Und sind diese Träume überhaupt realistisch? Schliesslich gibt es im Dorf an anderer Stelle bereits zwei Läden, für deren Erhalt sich die Bevölkerung zusammen mit der Gemeinde sehr eingesetzt hat. Oder soll die unbebaute Parzelle nicht einfach als attraktiver Wohnraum gestaltet werden? Schliesslich könnten die zusätzlichen Einwohner und Einwohnerinnen ebenfalls einen Beitrag zur Zukunft des Dorfes leisten. 

 

Drei Bilder

Eines der drei Teams wollte eine ganze alte Häuserzeile entlang der Hauptstrasse abreissen, um zwischen Strasse und Bach einen attraktiven Raum zu schaffen. Damit würde auch der Bach wieder besser zur Geltung kommen. Verbunden mit einer neuen Brücke über die Frenke könnte auf der heute unbebauten Parzelle dann ein neues Dorfzentrum entstehen. Mit der Öffnung und der Sichtbarkeit zur Strasse könnte auch das Potenzial für einen Laden oder eine andere öffentliche Infrastruktur entstehen.

 

Der Ansatz des zweiten Teams bestand darin, genau diese Häuserzeile zu belassen und lediglich die dem Bach zugewandte Seite aufzuwerten. Das Team zeichnete ein Bild von Häusern entlang des Baches. Kleine Bücken verbanden die Häuser mit ihren Gärten und Sitzplätzen auf der anderen Seite des Bachs. Diese Häuserzeile würde als Lärmschutz für den dahinterliegenden Raum und die neuen Wohnbauten auf dem unbebauten Grundstück dienen. Hier war also nicht die Belebung und die Öffnung das Ziel, sondern primär die Schaffung von speziellem und attraktivem Wohnraum im Schutz der alten Häuserzeile.

Das dritte Team hätte ein oder zwei Gebäude abgerissen, um einen Platz zwischen der Hauptstrasse und der Frenke zu schaffen. Von diesem Platz aus würde eine neue Brücke über die Frenke führen und so die zusätzlichen Wohnbauten auf dem Areal der Gemeinde mit dem bestehenden Dorf verbinden. Das ehemalige Feuerwehrmagazin der Gemeinde auf diesem Areal könnte zu einem Gemeinschaftszentrum oder einem Gemeindesaal umgenutzt werden und so zu einer Belebung des Ortes führen. Schliesslich würde die renaturierte Frenke diesem Ort noch eine besondere Note geben.

 

Ein vorbildlicher Prozess

Meine Bilanz nach diesem Anlass lässt sich so zusammenfassen: Egal, welche Wertvorstellungen und Ziele zuvorderst standen, diese Entwürfe werden helfen, die Diskussion zu führen, wie sich der Dorfkern von Ziefen entwickeln soll. Anhand der Bilder, die mit den Entwürfen in den Köpfen der Menschen entstehen, können die unterschiedlichen Werte, Chancen und Ziele diskutiert und gegeneinander abgewogen werden.

Ich bin sehr gespannt, was sich aus der nun begonnenen offenen Diskussion entwickeln wird. Ich wünsche der Gemeinde, dass diese Diskussion öffentlich stattfindet und sie diese Chance für eine werteorientierte Dorfentwicklung nutzen kann.

Als Planer wünsche ich mir noch viel öfter solche Projekte. Sie erlauben ein lustvolles Entwickeln von differenzierten Zukunftsbildern und das Testen von Ideen an konkreten Entwürfen, die zu einem konstruktiven Dialog der Planer und Planerinnen mit der Politik und mit der Bevölkerung führen.

Solche Diskussionen sind wichtige Instrumente für die Gestaltung unseres Lebensraums. Spannend finde ich übrigens auch, dass ausgerechnet der Heimatschutz diese Diskussion lanciert hat. Die Identität und der Erhalt liebgewonnener Werte lassen sich eben nicht immer nur durch den Blick in die Vergangenheit und den absoluten Schutz des Bisherigen bewahren. Vielmehr braucht es mutige, aber sorgfältige und respektvolle Entwürfe, die eine zukunftsorientierte Nutzung ermöglichen und so auch den Erhalt einiger identitätsstiftender Elemente sicherstellen.

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