«Der Boden war löchrig, deshalb traf ich den Ball nicht richtig.» Oder: «Es passt jetzt gerade nicht, ich habe so viel im Haus zu erledigen.» Wer kennt sie nicht, die Ausreden und Rechtfertigungen, die uns tagtäglich begleiten?
Das Gegenteil von Ausreden ist Selbstverantwortung. Diese Eigenschaft zeichnet erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler aus. Und sie ist verbunden mit einem realistischen Denken. Auch als Christinnen und Christen können wir lernen, auf unerwartete Situationen vorbereitet zu sein. Der erste Schritt dazu ist die mentale Vorbereitung.
Den Wettkampf vorbereiten
In der mentalen Wettkampfvorbereitung trainiert ein Sportler, sein persönliches Leistungsniveau realistisch einzuschätzen. Dabei geht es darum, die objektive sportliche Leistung und die mentale Stärke in Übereinstimmung zu bringen. So soll verhindert werden, dass man sich selber aufgrund von zu geringer mentaler Stärke zu wenig zutraut, oder aber aus übertriebener mentaler Einbildung sein Leistungsvermögen überschätzt. Zu dieser Vorbereitung gehören auch die Gewöhnung an die Wettkampfsituation, das Abspeichern unzähliger Handlungspläne im Kopf sowie die ausreichende Erholung, um sich nicht mit zu viel Training zu überfordern. Eine besondere Herausforderung ist es dabei, den eigenen Selbstwert nicht vom Wettkampfergebnis abhängig zu machen. Sportlerinnen und Sportler sind einzigartig, und sowohl die Trainingsmöglichkeiten wie auch das Leistungsvermögen können unterschiedlich sein. Trotzdem gibt es bei allen Faktoren, die sich negativ auf das Wettkampfergebnis auswirken, nämlich zu wenig Erholung, zu viel Stress oder Übertraining.
Das lässt sich bereits in der Bibel nachlesen. In Römer 12,3 schreibt Paulus:
In der Vollmacht, die mir Gott als Apostel gegeben hat, ermahne ich euch: Überschätzt euch nicht, sondern bleibt ehrlich und bescheiden im Urteil über euch selbst. Keiner von euch soll sich etwas anmassen, was über die Kraft des Glaubens hinausgeht, die Gott ihm geschenkt hat1.
Das Unerwartete trainieren
Ausreden und Rechtfertigungen kommen oft aus einer Überforderung oder sind die Reaktion auf eine unerwartete Situation. Man hatte diese spezifische Möglichkeit im Vorfeld schlicht nicht auf dem Radar und hat sie darum weder visualisiert noch gedanklich durchgespielt.
Das Gleiche treffe ich in der kirchlichen Gemeindearbeit mit freiwilligen Mitarbeitenden an. Genauso wie bei Sportlerinnen und Sportler das Training nicht in jedem Fall genügt, genügt auch für eine Leiterin oder einen Leiter das erworbene Wissen nicht immer. Beide gehen vielfach etwas naiv in den Wettkampf und gehen davon aus, dass ihre Begeisterung für die Sache Freude auslösen wird. Bei einem Wettkampf hingegen können unzählige unerwartete Zwischenfälle auftreten: ein plötzlicher Wetterwechsel, Buhrufe, Anfeindungen oder ein Materialschaden. In der kirchlichen Arbeit kommt es vor, dass eine unerwartete Kritik eintrifft, die Technik versagt oder sich andere Mitarbeitende nicht an die Abmachungen halten. Das sind allesamt Stressfaktoren, die einen schnell aus dem Tritt bringen können.
Genau in solchen Situationen unterscheiden sich erfolgreiche Sportler von anderen. Sie sind gewappnet. Sie trainieren auch unter Wettkampfbedingungen. Nur in der gewohnten Umgebung zu trainieren, in der jedes Detail stimmt, führt zwar rasch zu guten Trainingsresultaten. Dieses vermeintlich gute Gefühl wird im Wettkampf, der meistens unter ganz anderen äusseren Bedingungen stattfindet, dann aber rasch getrübt. Darum sollten Trainings zu verschiedenen Zeiten und auch mit überraschenden äusseren Umständen gestaltet werden. Dieses Vorgehen nennt
man «kontextabhängige Lernen»: Die Psychologen Godden und Baddeley zeigten 1975, dass Taucher, die eine Wortliste unter Wasser lernten, diese am besten unter Wasser abrufen konnten, wohingegen diejenigen, welche die Wortliste an Land gelernt hatten, diese auch dort am besten abrufen konnten2.
Menschen lernen nicht nur die eigentlichen Inhalte (Techniken oder Wissen), sondern stets auch die Bedingungen, unter denen gelernt wird! Je mehr Überraschungen und Störungen ins Training eingebaut werden, desto widerstandsfähiger wird man im Wettkampf. Umstände können sich ändern oder Bedingungen schwieriger werden. Gerade deshalb gilt es, sich davon nicht überraschen zu lassen und sich auf das zu fokussieren, was man trainiert hat.
Das eigene Handeln gedanklich erarbeiten
Unser Hirn ist so gut konzipiert, dass es unzählige mentale Handlungspläne abspeichern kann. Handlungspläne zu erarbeiten, bedeutet jedoch, dass wir uns Zeit dafürnehmen müssen und dass wir bereit sind, uns auch unangenehme Fragen zu stellen oder uns schwierige Situationen vorzustellen. Und das wiederum ist ein Ausdruck biblischen Fleisses, wie das schon in den Sprüchen 13,4 steht:
Der Faulpelz will zwar viel, erreicht aber nichts; der Fleissige bekommt, was er sich wünscht, im Überfluss3.
Konkret könnte das so aussehen: Ich denke mir, zum Beispiel in der Stillen Zeit oder während einer Stillen Wanderung, eine Situation aus, die unerwartet passieren könnte. Sei dies durch einen «Herausforderer», aufgrund meines eigenen Handelns oder von äusseren Einflüssen verursacht. Anschliessend schreibe ich detailliert den mentalen Handlungsplan für diese Situation auf. Welche Gedanken kommen mir in den Sinn, welche Selbstgespräche führe ich in dieser Situation? Welche Gefühle und welche Stimmungen begleiten mich? Diese Faktoren bestimmen dann meine Handlung oder mein Verhalten. Mit etwas Training und Selbstbeobachtung lassen sich diese Handlungspläne verfeinern und anpassen. Das Handlungsmuster wird um ein Vielfaches erweitert, was einen positiven Einfluss auf das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen hat. Mit der Zeit werde ich erfreut feststellen, dass ich in unerwarteten Stresssituationen fähig bin zu improvisieren, ohne Leistungseinbussen hinnehmen zu müssen.
Training als lebenslanger Prozess
Als Mensch Verantwortung zu übernehmen, ist aus meiner Erfahrung die Grundlage für den Erfolg, nicht nur im Sport sondern auch in der Leiterschaft. Verantwortungsvolle Menschen besitzen die Fähigkeit zu entscheiden, wie sie reagieren wollen. Das Fundament dazu ist der bewusste Umgang mit sich selbst in Wort und Tat. Habe ich mein Leben, meine Gedanken, meine Wünsche im Griff oder hetze ich – gegen aussen zwar kontrolliert, innerlich jedoch unerfüllt – durch das Leben?
Wie der Trainer und der Betreuerstab Sportlerinnen und Sportler für den Erfolg trainiert, so sollten sich auch Christinnen und Christen Gott hingeben. Dies im Vertrauen, dass er das Beste für uns will. Oft sind seine Trainingszeiten, Methoden und unerwarteten Situationen für uns im Moment nicht nachvollziehbar und lösen Stress aus. Sie testen unsern Glauben und lassen uns vielleicht kurzfristig an der Güte Gottes zweifeln.
Was für den Sport gilt, ist auch für das Christsein wahr: Edelsteine entstehen nur unter Druck. Dabei gilt es immer, das eigene Herz zu hüten, wie dies die folgenden beiden Versionen einer biblischen Weisheit aus Sprüche 4,23 verdeutlichen:
Was ich dir jetzt rate, ist wichtiger als alles andere: Achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben4!
Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens5.
1 Übersetzung: Hoffnung für alle
2 https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/gedaechtnis-kontextabhaengiges
3 Übersetzung: Hoffnung für alle
4 dito
5 Übersetzung: Elberfelder
Schreiben Sie einen Kommentar