Die kürzliche Ablehnung der Medienförderung durch das Schweizer Volk lässt erstaunen: Es müsste doch im Interesse der ganzen Schweiz liegen, dass wir über eine breite Medienlandschaft mit hoher Meinungsvielfalt zur Förderung der Demokratie verfügen.
Eine Kampagne mit den falschen Fragen
Hier hat sich einmal mehr bestätigt: «Staatliche Eingriffe in die Medienlandschaft stossen vor allem in der Deutschschweiz auf Widerstand, während in den Minderheitenregionen das Sensorium für die Finanzierungsschwierigkeiten der Medienhäuser grösser ist. Das verwundert kaum, da die eigenständig gebliebenen Betriebe im Tessin und in der Romandie nur noch eine schwache Position innehaben», erläutert diesen Sachverhalt der Medienexperte Rainer Stadler auf infosperber.ch.
Die Kampagne der Gegner mit Argumenten wie «Milliardäre erhalten Millionen» war leider falsch. Längst verdienen die grossen Medienhäuser ihr Geld nicht mehr mit Zeitungen und Online-News, sondern mit Dienstleistungsportalen für Auto, Immobilien oder Jobs. Als ich bei einem Management-Forum Ringier-CEO Marc Walder fragte, ob denn die Medien überhaupt noch ein Geschäft seien, antwortete er mir mit einem Beispiel aus Bulgarien – und nicht aus der Schweiz.
Hat Print noch Zukunft?
Schauen wir aber trotzdem die Situation in der Schweiz an. Die Zahl der Leserinnen und Leser, welche ihre Informationen aus der gedruckten Zeitung beziehen, ist in den letzten Jahren massiv geschrumpft. Allein von 2014 bis 2021 sank die gedruckte Auflage des «Blicks» von 164'000 auf 91'000, des «Tages-Anzeigers» von 173'000 auf 114'000 und der «Aargauer Zeitung» und ihrer zahlreichen Kopfblätter von 165'000 auf 119'000. Da drängt sich automatisch die Frage auf, ob gedruckte Zeitungen überhaupt noch eine Zukunft haben.
«Nein», beantwortete mir Gaudenz Looser, der Chefredaktor von 20 Minuten, diese Frage: «In wenigen Jahren wird es keine gedruckte Gratiszeitung 20 Minuten mehr geben.» Der rasche Untergang von Print mag für eine Pendlerzeitung unumgänglich sein, Qualitätszeitungen werden sich aber noch länger halten. Köstlich ist zu diesem Thema ein französischer Werbe-Clip «L’avenir du papier» (auf YouTube), der eine Familie zeigt: Die Mutter arbeitet mit klassischen Mitteln wie Büchern, Notizzetteln oder gedrucktem Papier, während ihr Mann sie immer wieder auf das papierlose Tablet hinweist. Als der Vater schliesslich auf dem stillen Örtchen hockt und kein WC-Papier hat, schiebt ihm die Frau nach seinem Rufen ganz einfach das Tablet mit einem WC-Papier-Bild unter der Türe durch …
Also: Papier wird es immer brauchen. Fragt sich nur wo und wozu?
Interessant ist hier die Entwicklung der Druckereien: Wie lange es noch gedruckte Zeitungen gibt, hängt von der Laufzeit der Druckmaschine ab. Diese sind nämlich enorm teuer und werden über 40 Jahre abgeschrieben. So langfristig investiert heute fast niemand mehr. Daher ist der Tod einer Druckmaschine häufig auch der Tod einer gedruckten Zeitung. Interessant ist auch, dass das Zeitungspapier immer mehr zur Rarität wird: Die Druckereien setzten ihre Strategien neu auf die Produktion von Karton und weniger auf Zeitungspapier. Die fortschreitende Digitalisierung mit immer mehr Paketen ruft nach mehr Karton. Zalando & Co lassen grüssen. Sogar bei der Post haben die Paketverteiler mehr zu tun als die Briefträger.
Kirchen müssen konsequenter auf neue Kanäle setzen
Was bedeutet dieser Trend für die Kirchen? In Europa haben die Kirchen die Digitalisierung bisher verschlafen oder vor allem aus Budgetgründen kaum richtig an die Hand genommen. Anders sieht dies in den USA aus, die viel affiner mit sozialen Medien wie Facebook, Instagram, LinkedIn oder Twitter umgehen. Es gibt Pastorensöhne, die nicht mehr auf klassische Kirchen, sondern schon voll auf rein digitale Kirchen setzen. Interessant ist auch folgender Vergleich: Pastor Rick Warren von der Saddleback Church in Los Angeles hat folgende Anzahl Follower/Fans: 166'000 auf YouTube, 1,0 Mio. auf Instagram, 2,2 Mio. auf Twitter und 8,1 Mio. auf Facebook. Im Vergleich dazu weist Pastor Leo Bigger, Leiter des ICF Movements und damit einer der grössten Kirchen in Europa, folgende Zahlen auf: 2’400 auf Twitter, 12'600 auf Facebook und 28'700 auf Instagram. Auf YouTube kommt die ICF Church immerhin auf 44'500 Abos. ICF wurde von Beginn weg multimedial auf die Jugend ausgerichtet und ist eine der wenigen Kirchen mit einer konsequenten digitalen Strategie.
Wollen die Kirchen in Europa die junge Generation bei der Stange halten, müssen sie konsequenter auf die neuen Kanäle setzen. Das bestätigt eine empirische Forschung, welche Schweizer Freikirchen mit den «Megachurches» vergleicht: Ein Grossteil der Schweizer Freikirchen hat nur eine geringe Reichweite auf Social Media, so die Masterthesis an der Donau-Universität Krems des Schweizer Adventisten-Predigers Marvin Brand von 2020.
Positive Notiz am Rande: Im Gegensatz zu Radio oder TV, das von Christen aktiv als Satanszeug bekämpft wurde, haben sich die Kirchen gegenüber den Sozialen Medien viel aufgeschlossener verhalten. Aber zulassen und strategisch aktiv werden sind eben zwei Paar Schuhe. Früher hat man gesagt: «Geht und predigt von den Dächern.» Heute muss man sagen: «Ihr müsst auch in die Netzwerke gehen.» Dazu wurden viele Kirchen in der Pandemie mit dem Aufschalten von Live-Streams gezwungen. Dieser Trend wird anhalten. Die Kirchen müssen lernen, Online- und Offline-Angebote attraktiv zu gestalten, um vermehrt auch junge Leute ins Boot zu holen und dort zu behalten.
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