Verschiedene Erfahrungen in unterschiedlichen Feldern ehrenamtlichen Engagements waren für mich in den letzten Monaten echt ermutigend. Zwar hat die Identifizierung mit Organisationen über Mitgliedschaften im engeren Sinne nicht zugenommen, ich würde sogar meinen, eher weiter abgenommen. Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist jedoch nach wie vor vorhanden. Allerdings haben sich die Bedingungen für eine aktive Mitarbeit verändert. Diese Entwicklung hat schon vor der Pandemie eingesetzt. Es ist heute viel erfolgsversprechender, ehrenamtliche Mitarbeitende zu gewinnen, wenn ein Engagement vom Rahmen her klar abgesteckt und vor allem zeitlich begrenzt ist. Genau hier müssen wir in unseren Vereinen und kirchlichen Organisationen ansetzen. Diesbezüglich möchte ich zwei ermutigende Beispiele aufgreifen.
Kurzfristige Projekte ziehen
Das Kindertage-Team unserer Kirchgemeinde, das während vieler Jahre von einer grossen Konstanz geprägt war, hat sich kurz vor Beginn der Planung des diesjährigen Kinder-Camps völlig unerwartet innert weniger Tage regelrecht verflüchtigt. Dank Aufrufen an neue, teilweise auch nicht besonders kirchennahe Leute, konnte innert kürzester Zeit ein neues Team zusammengestellt werden. All die neuen ehrenamtlichen Mitarbeitenden, welche zum Teil kaum Erfahrungen in diesem Bereich mitbringen, sind erfreulicherweise sogar sehr motiviert, bei der neuen Aufgabe engagiert mitanzupacken.
Und gleich noch ein zweites Beispiel: In unserer Partei sind wir in diesen Wochen intensiv mit diversen Wahlkämpfen beschäftigt. Bekanntlich ist die Suche nach neuen aktiven Mitgliedern derzeit eine echte Herausforderung. Auf einen Aufruf über den Freundesbrief der EVP – ein grösserer Teil der Empfänger des Newsletters sind nicht Parteimitglieder – haben sich über 40 (!) Personen für eine projektartige Unterstützung bei anstehenden Aktivitäten gemeldet.
Die richtigen Zielgruppen finden
Auch wenn mir bewusst ist, dass viele Leute – gerade auch in christlichen Millieus – zeitlich sehr stark beansprucht sind, bin ich überzeugt, dass es Frauen und Männer gibt, welche Zeit und die nötige Kapazität haben, um sich in irgend einer Art ehrenamtlich zu engagieren. Für Organisationen wird es immer entscheidender, genau diese Leute zu finden und aktiv auf sie zugehen zu können. Beispielsweise Seniorinnen und Senioren oder auch nicht berufstätige Familienfrauen und -männer kommen diesbezüglich besonders in Frage.
Eine ideale Plattform für Erstkontakte mit möglichen Interessentinnen und Interessenten bilden seit einigen Jahren die verschiedenen Angebote der Sozialen Medien. Meine Frau hat mir kürzlich von einem spannenden Phänomen, der sogenannten Interpassivität, berichtet. Gerade in Bezug auf Personen, welche gesellschaftlich (noch) nicht besonders eingebunden sind, bieten sich diesbezüglich neue Möglichkeiten. Interpassivität kann entstehen, wenn Menschen ohne eine aktive Teilnahme an Aktivitäten, also nur schon durch ein passives Verfolgen des Geschehens, indirekt an Aktivitäten teilhaben und sich daran erfreuen können. Wenn wir es schaffen, diesen Menschen nahe zu sein, kann es sein, dass sie sich für unsere Arbeit konkreter zu interessieren beginnen. Auch in ihrer passiven Teilhabe können wir sie nach und nach mit unserem Engagement vertraut machen. Dieses Vertrauen kann dazu führen, dass sich diese Menschen dereinst selber – wenn auch vielleicht nur projektbezogen – engagieren. Und vielleicht ist das ja dann der Anfang für ein längerfristiges Engagement.
Ohne einige konstante Mitarbeitende kommt die ehrenamtliche Arbeit wohl auch in Zukunft nicht aus. Aber dazu braucht es heute einen längeren Vorlauf.
Schreiben Sie einen Kommentar